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Blutgasanalyse

Christoph Glösenkamp

27.09.2023

Atmen ist mehr als nur Sauerstoff

Es werden im Medizinstudium einige immer wiederkehrende "klassische" Fallbeispiele genutzt, um Studenten bestimmte Funktionsweisen des Körpers zu erklären. Ein solches klassisches Beispiel ist folgendes: Eine im 8 Monat schwangere Frau kommt in die Notaufnahme mit plötzlich aufgetretener Atemnot. In der körperlichen Untersuchung findet sich nichts auffälliges. Es wird die Sauerstoffsättigung mit einem Pulsoxymeter am Finger gemessen: 96%, alles gut! Der Arzt ist eigentlich schon bereit die Frau wieder nach Hause zu schicken, da fällt ihm doch noch Wissen aus dem Studium ein: wir sollten noch eine Blutgasanalyse machen. Und siehe da: der Sauerstoffgehalt des Blutes ist leicht vermindert, das Kohlendioxid ebenfalls. Am Ende steht die Diagnose einer Lungenembolie.

Um den Fall verstehen muss ich Ihnen ein paar Grundlagen der Blutgase erklären:

Das Pulsoxymeter misst NICHT den Sauerstoffgehalt im Blut. Sondern es misst, wieviel Prozent des Hämoglobins (ein Protein in den roten Blutkörperchen) mit Sauerstoff gebunden ist. Rote Blutkörperchen nehmen bei ihrem Weg durch die Lunge Sauerstoff auf, und speichern diesen an das Hämoglobin, transportieren es in andere Organe, und geben es dort ab. Dann ist das Hämoglobin wieder ungebunden. Hämoglobin, das mit Sauerstoff gebunden ist hat eine "rotere", hellere Farbe, als ungebundenes. Deswegen ist auch Blut in Arterien in der Regel heller und "roter", Blut in den Venen ist "blauer" und dunkler. Wenn jemand "blau anläuft" liegt das meist daran, dass die roten Blutkörperchen nicht genügend Sauerstoff gebunden haben. Der Farbunterschied wird auch von Pulsoxymetern gemessen. Ein Fallstrick dieser Messung ist: wenn Sie z.B. nur sehr wenige rote Blutkörperchen im Blut haben, dann ist die Sättigung der roten Blutkörperchen mit Sauerstoff zwar weiterhin gut. Aber es gibt insgesamt (zu) wenig Sauerstoff für alle Organe, da ja nur sehr wenige rote Blutkörperchen vorhanden sind. Das heißt, obwohl bei Ihnen zum Beispiel die Sauerstoffsättigung mit 96% am Finger gemessen wird, könnten Sie zu wenig Sauerstoff haben.

Ein weitere Limitierung des Pulsoxymeter ist, dass die Sättigung der roten Blutkörperchen erst beginnt abzusinken, wenn der Sauerstoff deutlich absinkt. Es gibt einen "blinden Bereich", in dem die Sättigung normal bleibt (95-100%), aber die Sauerstoffaufnahme in den Körper bereits abgesunken ist. Nicht bedrohlich, aber frühe Warnzeichen könnten so verpasst werden.

So eben auch in dem initialen Fallbeispiel bei der schwangeren Frau. Die Sättigung war zwar noch in Ordnung, durch die Lungenembolie war die Sauerstoffaufnahme des Körpers aber bereits eingeschränkt.

Da sind wir mit der Blutgasanalyse, also der Untersuchung eines Blutstropfen aus dem Ohrläppchen deutlich besser. Hier wird nicht die Sättigung gemessen, sondern der Sauerstoffpartialdruck (pO2). Dieser zeigt genau an, wie gut Sauerstoff durch die Lunge aufgenommen werden kann. Uns interessiert aber nicht der Sauerstoffgehalt, nachdem bereits ein Teil davon an Organe abgegeben wurde, also venöses Blut. Wir wollen wissen, wieviel Sauerstoff im Blut davor ist, unmittelbar nachdem das Blut aus der Lunge kommt. Wir brauchen also arterielles Blut. Wir könnten Ihnen also mit einer Nadel in eine Arterie (meist am Handgelenk) stechen. Das ist aber recht schmerzhaft und birgt die Gefahr von Komplikationen. Deswegen der Trick mit Salbe am Ohrläppchen. Die Salbe führt zur Weitstellung der Blutgefäße im Ohrläppchen (deswegen fühlt sich das dann auch heiß an). Wenn wir Sie dann mit der Lanzette stechen, ist das Blut "so gut wie arteriell".

Es gibt einen weiteren Grund, warum wir Blutgasanalysen durchführen, und das führt zum Untertitel dieses Artikel. Blutgase sind nicht nur Sauerstoff. Was genauso wichtig ist, ist Kohlendioxid (CO2). Das was Sie beim Ausatmen versuchen loszuwerden. CO2 kann nicht mittels Pulsoxymeter bestimmt werden, wird aber gleichzeitig bei einer Blutgasanalyse bestimmt. Es gibt eine Reihe von Krankheitsbildern, bei denen die Sauerstoffaufnahme gar kein Problem ist, sehr wohl aber die Abgabe von CO2. Dazu gehören zum Beispiel viele neurologische Erkrankungen, die zu einer Muskelschwäche führen. Häufig sind dabei auch die Muskel betroffen, die für die Atmung zuständig sind. Arbeiten diese nicht mehr ausreichend, fällt das oft durch ein Ansteigen des CO2 im Blut auf, nicht durch einen Abfall des Sauerstoffgehaltes. Im Beispiel der schwangeren Frau war es so, dass der Körper versuchte die durch die Lungenembolie verursachte verminderte Sauerstoffaufnahme zu kompensieren. Die Frau atmete unbewusst schneller, was den Sauerstoff in den Lungenbläschen erhöht. Gleichzeitig wird so aber mehr CO2 abgeatmet. Dadurch kam es zu einem geringeren CO2-Wert in der Blutgasanalyse.

Ärgern Sie sich also nicht, falls wir Ihnen ins Ohrläppchen stechen. Das gibt uns viele wichtige Informationen an die wir sonst nicht kommen könnten (und sicher angenehmer als wenn wir Ihnen eine Nadel in eine Arterie stechen).

Christoph Glösenkamp
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